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Artikel zum AnKlang 2015

Der Leipziger Journalist Karsten Pietsch schrieb in seinem Artikel für die „Leipziger Internet Zeitung“:

Orgelmusik nach Wunsch in einmaligem Konzert mit Wolfgang Seifen

„Das Wandern ist des Müllers Lust“ und „Muss i denn zum Städtele hinaus“ erklangen, die finnische Nationalhymne „Maamme“ und u. a. auch „Somewhere“ aus der „West Side Story“, wobei jeweils aus den Themen eigene, neue Musikstücke wurden. So wurde die Orgelmusik-Saison der Leipziger Region am Samstag eröffnet. Frank Lehmann, der Markranstädter Kantor, kann natürlich ganzjährig auf ein vielfältiges Musikangebot verweisen.

Wolfgang Seifen, Orgelprofessor für Improvisation in Berlin, sind weder die Kreutzbach-Orgel mit ihren 24 Registern noch die Markranstädter St. Laurentiuskirche zu klein. Sonst wird er zu Orgeleinweihungen, internationalen Festivals und Festwochen gebeten. Und zum vierten Mal war er schon in Markranstädt. An der Kasse lag eine Liste, in die Themenwünsche eingetragen werden konnten. Und die Liste war voll, länger als zeitlich möglich. Kurz vorm Konzert erst sah der Organist die Wünsche, ohne jede Chance, dazu noch Register und Varianten ausprobieren zu können. Hier ist alles live und einmalig. Wenn der Nachhall verklungen ist, bleibt nur Erinnerung und – wie in diesem Fall – eine CD-Aufzeichnung. Oder die Aussicht auf ein nächstes Konzert.

Bekannte Melodien, so noch nie gehört

Zwar wird die Arbeit des Organisten hier als Improvisation bezeichnet. Thema, Sinn und Form der Verarbeitung folgen aber strengen Regeln. Aufbau und Besonderheiten des jeweiligen Instruments kennt der Organist vorab nur bedingt, die musikalische Wandlungsfähigkeit sind Intention und Können. Der Begriff Handwerk stimmt hier in allen Parametern. Der Organist Wolfgang Seifen ringt um jede Möglichkeit.

Schon auf dem Programmzettel stehen Ablauf und musikalische Stile fest, in die die gewünschten Melodien dann eingeordnet werden. Was dann kommt ist nicht Zufall, sondern eben die Kunst Wolfgang Seifens.

Aus dem „Wandern ist des Müllers Lust“ wurde ein kräftiger Marche festivo mit den Mühen der Bergbesteigung. Dann holte das Instrument Schwung und klang kurz wie eine historische Rummelplatzorgel aus einem Technischen Museum. In der Vielfalt der musikalischen Stile ging es von Fantasie und Fuge bis zum Triptyque Symphonique. Darin wurde aus Leon Boëllmanns Toccaten-Thema aus der „Suite Gothique“ das Scherzo.

Getöse oder Spieluhr

Da „grüßte der Lenz“ mit Orgel-Getöse! Wie eine Flötenspieluhr ließ Wolfgang Seifen die Orgel erklingen, führte auch Töne, leiser werdend, durch das Instrument, wie bei der Improvisation zu Leonard Bernstein. „Man kann Leichtigkeit wahrnehmen“, freute sich Bürgermeister Jens Spiske, „wie Musik-Tropfen!“.

Wolfgang Seifen arbeitete sich in Filmschnitt-Geschwindigkeit durch die Möglichkeiten der Orgel. Über die Manuale laufen die Hände zuweilen über Kreuz, dass die linke Hand auch rechts registriert, ist Normalfall. Aller zehn Sekunden scheint es irgendwo Veränderungen zu geben, die Töne nach Tastenanschlag gar nicht mitgerechnet.

Es hat etwas mit Land und Leuten zu tun, dass in Markranstädt vornehmlich Volksweisen gewünscht waren und erklangen. Allerdings stand auch der Filmmusik-Titelsong der „Olsenbande“ auf der Liste, ertönte aber leider nicht.

Nach Noten spielt Wolfgang Seifen öfters, sogar gern nach eigenen! Dann sind es Werke mit großen Orchester- und Chorbesetzungen, wie eine Messe einst zu Ehren des deutschen Papstes im Vatikan aufgeführt wurde, und demnächst in Paderborn eine Festmusik uraufgeführt wird.

Kultur aktiv

Regionales Touristik-Marketing mischt mit, wenn nun zu einer Orgel-Wanderung von Kirche zu Kirche, in Markranstädt beginnend, oder zu einer mehrtägigen Orgel-Reise und mit einem ganzen Prospekt zur Kirchenmusik eingeladen wird.

Da stehen dann schon mal zum großen „AnKlang“-Auftakt mitten im Bildprogramm von Kirche und Altarraum Werbe-Plakate, wie man sie von Messeständen gewöhnt ist. Vermutlich hat Professor Seifen noch nie eine Zugabe-Improvisation auf dem Flügel gespielt, umgeben von bunten Postern und den Botschaften „Kultur“ und „aktiv“… In der Herstellung ist so was schätzungsweise sogar teurer als das ganze Konzert vom Sonnabend.

Schön, dass in Markranstädt der Pfarrer Michael Zemmrich auch die Konzertbesucher mit Handschlag willkommen heißt. Wie zu erfahren war, sollte man aber lieber darauf verzichten, in Konzerten Festreden einzuplanen. Wenn nicht der gastgebende Pfarrer und der Künstler darum bitten oder die Meditation zur Kunst gehört. Dass sich der Bürgermeister und die Tourismus-Verbands-Chefin freuen, kann auch gedruckt werden, da es ja in Markranstädt immer kleine feine und fürs Publikum kostenlose Programmblätter gibt.

Harfe Gottes und Kraftwerk

Kantor Frank Lehmanns Fakten hätte man sogar gern zum Nachlesen gehabt, als er die Ahnentafel der Orgel in St. Laurentius erläuterte. Zumal es hier schon seit 1495 eine Kantorei gab, als der Ort kaum 300 Einwohner hatte. Von der „Harfe Gottes“ sprach Kantor Frank Lehmann, Wolfgang Seifen nannte die Orgel an sich schon mal „Halleluja-Kraftwerk“.

So kompliziert die Tourismusverbündnisse derzeit sind, so schwer durchschaubar erscheinen sie manchen Beiträge zahlenden Vereinsmitgliedern. Gabriela Lantzsch sprach von Heideland, Burgenland, Neuseenland und ihren Vereinen und der Region Leipzig an sich. Wenn es aber um die gemeinsame Idee „Faszination Orgel“ geht, dürften sich schnell neue Beziehungen über Orte, Kommunen und Regierungsgrenzen hinweg bilden. Vorausgesetzt, dass bei aller Organisation Kunst und Künstler noch bezahlt werden können.

Wolfgang Seifens Version zur „Suite Gothique“ hat nach Hörermeinung „den Ohrwurmqualitäten des Originals nicht nachgestanden“! Und auch das war zu hören: „Wer nicht dabei war, hat was verpasst!“
Wolfgang Seifen kann ja gern noch mal wieder in die Leipziger Gegend kommen, zum Beispiel nach Markranstädt. Schon wegen der gewünschten Olsenbanden-Filmmusik.

www.l-iz.de